Sonntag, 2. Oktober 2011

Elektronische Rechnungen: Vereinfachung wird zum 01.07.2011 rückwirkend Gesetz

Ja, richtig! Lange hat es gedauert, bis ich mich zu dieser Rechtsentwicklung hier zu Wort melde. Der Grund liegt in der völlig unübersichtlichen Diskussion der Änderung des UStG in den Medien. Eine wirkliche Folgenabschätzung hat bisher -soweit ersichtlich- noch niemand vorgenommen. Zwar wird immer wieder behauptet, es würden Bürokratenkosten in Höhe von 4 Mia. € abgebaut; wie das gehen soll, hat nur noch niemand nachvollziehbar vorgerechnet. Aber unsere Bundestags-Abgeordneten ersetzen ja -wie aktuelle Beispiele belegen- Grundrechenarten durch Mobbing. Bei der Entscheidung üver den erweiterten Euro-Rettungsschirm wussten über 70% der Abgeordneten nicht, welche Haftungssummen und damit -risiken für den Bundeshaushalt zur Abstimmung kamen. Und für den Herrn Kanzleramtsminister ist das Grundgesetz ja nach eigenem Bekunden nur ein Sch..ss. Zur Sache also!

Rückwirkend zum 01.07.2011 treten die neuen Vereinfachungsregeln zur elektronischen Übertragung von Rechnungen nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 UStG neue Fassung in Kraft. Diese Regelung setzt die von der EU nach Art 233 MwStSystRL geforderten Gleichstellung von Papier- und elektronischen Rechnungen um; und zwar 18 Monate früher um als gefordert Spätestens zum 01.01.2013 haben alle EU-Staaten die Regelung in nationales Recht umzusetzen.

Damit gelten für beide Übermittlungsarten (Papier und eRechnung) für die Dauer der Aufbewahrungsfrist (10 Jahre plus Anlaufsperrfrist, bis zu 2 Jahre) die folgenden selben Anforderungen:
1. Echtheit der Herkunft der Rechnung, d.h. Sicherheit der Identität des Rechnungsaustellers;
2. Unversehrtheit des Inhalts, also dass die nach diesem Gesetz (UStG) erforderlichen Angaben nicht geändert wurden.
3. NEU: Sicherstellung der Lesbarkeit, und zwar über den ganzen Aufbewahrungszeitraum

Unverändert ist die gesetzliche Forderung nach Zustimmung des Rechnungsempfängers zum elektronischen Rechnungsdatenaustausch. Ist dieses Verfahren zwischen den Parteien nicht vereinbart, so wird mit einer elektronischen Rechnung nicht gesetzeskonform abgerechnet. Eine schriftförmliche Vereinbarung des elektronischen Rechnungsdatenaustauschs ist dringend angeraten, um diese Vereinbarung in allen Einzelabreden beweisen zu können. Die Folgen einer nicht vereinbarten elektronischen Rechnungsstelllung sind:

Auf Seiten des Rechnungsstellers
• die "Rechnung" kann nicht in Verzug geraten; § 286 BGB, der Aussteller kann kein Mahnverfahren mit Aussicht auf Erfolg einleiten
• umsatzsteuerlich wird möglicherweise § 14 (2) 1 UStG verletzt; die Folge könnte eine Geldbusse von bis zu 5.000 € je Einzelfall sein (§26 b UStG)

Auf Seiten des Rechnungsempfängers
• Risiko für
o Betriebsausgabenabzug, da kein legaler Beleg
o Zinsrisiko aus VSt-Abzug, wenn der VSt-Abzug nach "Heilung" gewährt wird
o Risiko für VSt-Abzug, wenn "Heilung" nicht möglich ist

Natürlich müssen beide Parteien die schon seit 2002 in den GDPdU formulierten Anforderungen nach Aufstellen und Vorhalten einer historisierten Verfahrensbeschreibung erfüllen können.

Gegenüber der bisherigen Rechtslage, die bei der elektronischen Rechnung zur Erfüllung dieser Anforderungen nur die beiden Verfahren elektronische Signatur und EDI vorsah, ist der Unternehmer nach § 14 Abs. 1 UStG n.F. nunmehr in einem dritten Verfahren darin frei, wie er die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts gewährleistet (elektronische Signatur und EDI sind also weiterhin möglich). Er kann dies durch innerbetriebliche Kontrollverfahren erreichen, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen einer Rechnung und einer Leistung schaffen. Dies kann auch eine schon geltende, „herkömmliche“ Rechnungseingangsprüfung sein. Diese besteht in einer dokumentierten Beleglage der Transaktion, von der Bestellung bis mindestens zur Bezahlung; ggf. -zB bei Rechnungsdisput- auch darüber hinaus. Nur unter solchen, vom Rechnungsempfänger zu schaffenden Bedingungen, können Rechnungen künftig grundsätzlich z.B. auch als pdf. – Anlage von E-Mails versendet werden. Die gesetzliche Formel hierzu in aller Kürze lautet: wer (innerbetriebliche Kontrollverfahren ablaufen lassen) kann (und die in einer historisierten Verfahrensdokumentation nachweist, im Übrigen nachweisbar diese Verfahren "lebt"), der kann (mit dem Rechnungssteller getrost unter Verzicht auf die Signatur einen elektronischen Rechnungsdatenaustausch per Signatur vereinbaren). Wer das nicht kann, der darf auch nicht!

Der Gesetzgeber erwartet von Unternehmen, die sich für einen Verzicht auf signierte Eingangsrechnungen oder einen Verzicht auf EDI bei Eingangsrechnungen entscheiden, dass sie in der Lage sind, durch einen sog. "verlässlichen Prüfpfad" zwischen Rechnung und Leistung die Integtrität und Authentizität der Eingangsrechnung zu beweisen. Unter "Prüfpfad" sind dabei sämtliche, der Rechnung zu Grunde liegenden Dokumente oder workflows -von der Bestellung bis zur Leistungsausführung anzusehen, also:

Bestellung/ Spediteuranweisung => Anerkennungsworkflow => Wareneingang/ Leistungsbezug => Zahlungsabwicklung etc. (so, wie sie ein wohlkonstruiertes IKS eben auch durchlaufen).

Die gesetzliche Aufbewahrungsanforderung und -zeit gilt auch für sämtliche Elemente dieses Prüfpfades. Denn nur damit wird ein lückenloser Nachweis darüber erbracht, dass die Rechnung nicht verändert wurde. Nach der Idee des Gesetzgebers sind die dazu notwendigen Prüfungsstrukturen ohnehin in jedem Unternehmen vorhanden. Hier ist dringend zu raten, darauf zu achten, dass
1. wirklich mit jedem Rechnungssteller ein Abkommen zum elektronischen Rechnungsdatenaustausch geschlossen wurde und
2. eine versionierte Verfahrensdokumentation vorliegt, und zwar gerade auch für die vergangenen 10 + 2 Jahre.

Zwar erlaubt der Fiskus einen rein manuellen Bestellabgleich; dieses Verfahren unterliegt aber der Beurteilung in einer späreren Betriebsprüfung; wohingegen Signatur und EDI qua Gesetz zulässige Verfahren der Dokumentensicherheit sind. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz auch die Befugnisse der Finanzverwaltung ausgeweitet wurden. Im Rahmen einer sog. Umsatzsteuer-Nachschau bleibt dem Unternehmen keinerlei Zeit mehr zu vorbereitenden Massnahmen. Elektronische Rechnungen und steuerrelevante digitale Dokumente sind für Prüfzwecke ständig in permanenter Prüfbereitschaft zu halten, denn der Prüfer steht vor der Tür und will diese Dokumente einsehen. Nur eine ordnungsgemässe Archivierung kann hier helfen. Die Anforderungen daran haben sich aber gerade nicht vereinfacht. Genau das aber wird in der derzeitigen Diskussion um "Steuervereinfachung" und "Bürokratenkostenabbau" nicht so intensiv diskutiert wie die angeblichen Vorteile aus dem "Wegfall der Signatur-Pflicht".

Man sollte hier unbedingt unterscheiden:
• EDI und Signatur sind Massnahmen zur Erzeugung von Dokumentensicherheit; das Dokument erhält seinen Beweiswert aus der Sicherheit des Übertragungsweges
• innerbetriebliche Kontrollverfahren sind Massnahmen zur Erzeugung von Prozesssicherheit; daher muss der Prozess des elektronischen Rechnungsdatenaustauschs auch
1. vereinbart und
2. in einer VFD beschrieben
worden sein. Die VFD ist genauso zu archivieren wie die legalen Belege; und sie ist zu historisieren.

Da -jedenfalls nach Meinung der überwiegenden Anzahl der Medien ebenso wie nach Auffassung der HWK´s und IHK´s- eine erhebliche Barriere auf dem Weg zur elektronischen Rechnung nun weggefallen ist, denken viele Unternehmen über die Einführung einer elektronischen Rechnungsübermittlung nach. Aus den vorstehend genannten Gründen sollte diese Entscheidung aber gut überdacht und dokumentiert werden. Ich meine jedenfalls, dass nur Naivität im Geschäftsgebaren den Schluss erlaubt, hier sei eine Vereinfachung für die Unternehmen eingetreten. Man wird sehen, wie sich das Thema in der nächsten Zeit entwickelt. Bis dahin ist mE davon auszugehen, dass die Rechnungssignatur für KMU die preiswerteste Lösung zur Herstellung von Legalität im Abrechnungsprozess und zur Aufrechterhaltung von Beweiswert des Rechnungsdokuments darstellt.

Es darf dabei auch nicht übersehen werden, dass andere Vorschriften, z.B. die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und des HBG zur elektronischen Archivierung weiterhin hohe Anforderungen stellen und sich daraus z.B. bei Eingangsrechnungen ein Risiko eben nicht nur für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges, sondern auch für den Betriebsausgabenabzug ergeben kann.Ohne legale Belege wird nämlich systematisch ohne Beleg gebucht. Das ist handelsrechtlich hochriskant für den Jahresabschluss und alle auf dem JA aufsetzenden Beschlüsse und Handlungen, als da beispielsweise wären
• Feststellung des Jahresabschlusses
• Gewinnverteilungsbeschluss
• Bonifizierungsbeschlüsse
• Entlastungsbeschlüsse
• Veröffentlichung
• Einhalten von Covenants

Auch ist bei einer Rechnungsstellung per e – mail nun einiges mehr zu beachten, u.a. die möglichen Zugriffsrechte der Betriebsprüfung auf das interne E-Mail System.

Bei allem ist immer zu berücksichtigen, dass die hier zitierten gesetzlichen Regelungen nur für Deutschland gelten. Diese Bestimmungen sind nur auf Rechnungen anwendbar, deren Leistungen in Deutschland steuerbar sind (Kennzeichen Steuerland = DE). Auslandssachverhalte wie zB
-Steuerschuldverlagerung in Spanien
-Vorsteuerabzug in Dänemark
-innergemeinschaftlicher Erwerb in Bulgarien

sind von der Anpassung der deutschen USt-Vorschriften natürlich nicht betroffen. Für derlei Vorgänge gilt auch weiterhin das nationale Recht des jeweiligen Steuerlandes. Die Übermittlung der Rechnung muss entweder in Papier oder -nach den landesspezifischen Vorschriften- signiert erfolgen.

Die Art der elektronischen Übermittlung wird dabei irrelevant. Wenn vereinbart, können Rechnungen als .pdf, als ,txt, .doc, .xls, als Fax, als Web-download, XML etc. versandt werden. Auch neuere Verfahren wie DE-Mail oder E-Post sind dann zulässig.

Mit der Einführung einer elektronischen Rechnungsstellung bieten sich durchaus Chancen, insgesamt die unternehmerischen Prozesse aus Sicht der Umsatzsteuer ebenso wie aus Sicht der Ökonomie und der Compliance zu optimieren -zB mit einer Synchronisation von Debitoren- und Kreditoren-Laufzeiten etc.- und so effektiv Kosten zu sparen und Risiken zu vermeiden.

Es ist nun das angekündigte BMF-Schreiben abzuwarten. Für alle Unternehmen dürfte bis dahin die Frage, in welchen Fällen eine elektronisch übermittelte, nicht signierte Rechnung überhaupt akzeptabel ist und der gesetzlich geforderten Vereinbarung zum elektronischen Austausch von Rechnungsdaten entspricht, problematisch sein.

Bei Frachtrechnungen sollte man, da für die Beweiskraft des Ausfuhrnachweises immer noch eine Unterschrift gefordert wird, unbedingt auf einer Signatur bestehen, die die eigenhändige Unterschrift ersetzt. Hiervon kann wohl nur dann abgesehen werden, wenn den Spediteuren durch die jeweils zuständige Landesfinanzbehörde eine Genehmigung zum Verzicht auf diese eigenhändige Unterschrift erteilt wurde (USt-AE Abschnitt 6.7 Abs. 2).

Gerne berate ich bei den steuerrechtlichen, betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Fragen rund um die Einführung einer elektronischen Rechnungsstellung. Gerne stelle ich auch die weiteren Möglichkeiten für mehr Effizienz und Risikominimierung dar.