Unternehmen sind sich nicht im Klaren über die konkreten Auswirkungen der anstehenden Umsetzung der Vorgaben des EU-Ministerrates (vom Juli 2010) zur Änderung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EC. Europaweit spätestens ab dem 01.01.2013, in Deutschland vermutlich ein Jahr früher, wird es möglich sein, zu den beiden bekannten und bestehenden Verfahren noch weitere zur Sicherstellung des Vorsteuerabzugs bei elektronischen Rechnungen zu nutzen. Neben der
• qualifizierten Signatur und der
• Übermittlung via EDI-Verfahren
wird es künftig noch andere zulässige Wege geben, die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Rechnungsinhalts zu gewährleisten.
Dabei geht es der EU bei der Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie um die weitere Verbreitung und Akzeptanz der elektronischen Rechnung. Sie stellt diese nun der Papierrechnung gleich. Dem neuen Verbot der Methodenvorgabe folgend werden künftig nicht mehr ausschließlich konkrete Verfahren zur Erlangung des Vorsteuerabzuges vorgeschrieben.
Neben den bewährten Methoden der qualifizierten Signatur und dem EDI-Verfahren (in Deutschland seit 2009 ohne die zusammenfassende Sammelrechnung) soll es den Unternehmen künftig freigestellt sein, “andere Verfahren” zur Sicherstellung der “Echtheit” der Rechnungen über den vollen Aufbewahrungszeitraum von (in Deutschland) zehn Jahren plus 2 Jahre Anlaufhemmung) zu verwenden.
Diese neuen Verfahren sind in der EU-Richtlinie nicht weiter konkretisiert worden. Es steht allein in der Entscheidung des Unternehmens, hier neue Verfahren zu gestalten und zu gebrauchen. Wegen der nicht vorhandenen Standardisierung ist zu befürchten, dass die Unsicherheit hinsichtlich der Akzeptanz der dann unternehmensspezifisch umgesetzten Verfahren eher zunehmen. Vor allem Unternehmen, die internationale Anforderungen bzw. Strategien bezüglich des elektronischen Rechnungsaustauschs haben, werden mit unterschiedlichen nationalen Umsetzungen konfrontiert sein. Dies wird zu einer steigenden Komplexität in Buchführung, Jahresabschluss, gerade auch bei der Erstellung von Steuererklärungen und bei Betriebsprüfungen , führen. Wenn dann Zweifel an der Unversehrtheit der Rechnungen aufkommen, gerät der Vorsteuerabzug in Gefahr.
EDI und insbesondere sauber aufgesetzte Signaturverfahren sind seit Jahren praxisetablierte Methoden zur Sicherstellung der auch nach Änderung der MwStSysRL weiterhin geforderte Integrität und Authentizität der elektronischen Rechnungen. Hinzu kommt die neue Anforderung an Legitimiät, am ehesten zu übersetzen mit der Anforderung nach Lesbarkeit über den gesamten Aufbewahrungszeitraum.
Es herrscht mittlerweile ein hohes Maß an Klarheit darüber, was bei den beiden hergebrachten Verfahren von Seiten der Betriebsprüfung erwartet wird. Wie auch immer die neuen Methoden konkret aussehen sollen ist eigentlich egal. Sie sind bisher nicht normiert. Daher ist zu erwarten, dass ihre Umsetzung komplex und teuer wird: Beide Seiten – der Rechnungssender sowie der Empfänger – müssen sich einig darüber sein, mit welchen Verfahren die Integrität, Authentizität und Legitimität über den geforderten Aufbewahrungszeitraum sicher gestellt ist. Und bei den neuen Verfahren geht es da gerade nicht nur um die Rechnungen; auch die im Geschäftsvorfall weiter ausgetauschten Dokumente –von der Bestellung über den Lieferschein bis hin zur Reklamation- sind zu beachten.
Aus meiner Sicht werden EDI- und Signaturverfahren gerade aus Kostengründen weiterhin die präferierte Methode bleiben, zumal bei anderen Verfahren die Archivierung eine noch zentralere Rolle spielen wird und die Prüfungsanforderungen auf Dokumente ausgedehnt werden, die bisher in der steuerlichen Betriebsprüfung nicht verlangt wurden. Ausserdem sind die Kosten für die eigentliche elektronische Signatur in einem gesamtheitlichen Ansatz mehr oder weniger vernachlässigbar. Aufwändig sind insbesondere Vorbereitungshandlungen, die Unterweisung der Mirarbeiter, die Überzeugungsarbeit an den Kunden oder bei den Lieferanten, ausserdem die Elektronifizierung und die Konsolidierung der unterschiedlichen Prozessvarianten beim Versand oder Empfang elektronischer Rechnungen. Die Signatur spielt nur eine kleine Rolle, erzeugt dafür aber ein hohes Maß an Auditierungssicherheit. Andere Methoden müssen sich dann an diesem Kosten / Leistungsverhältnis messen lassen.
Unternehmen sind zur Reduzierung von Komplexität und zur Herbeiführung von Investitionssicherheit gut beraten, die mit dem e-Invoicing zusammenhängenden Einführungs- und Betriebs-Prozesse in die Hände erfahrener Dienstleister zu legen. Die sollten die unterschiedlichen gesetzlichen und sonstigen Compliance- Anforderungen (beispielsweise SAS 70 II, IdW PS 880 u.ä.) in den Ländern kennen und über ein Lösungsportfolio verfügen, das flexible und skalierbare Technologien enthält. Wichtig ist die Praxistauglichkeit der Einführungskonzepte bei der Umstellung auf elektronische Rechnungen sowie das sog. onboarding, die Anbindung der Geschäftspartner. Schließlich sollte ein solcher Dienstleister auch über ein Netzwerk zur Bündelung der Rechnungsströme verfügen, also eine sog. roaming-Lösung haben, so dass die Rechnungen nicht zwischen allen Geschäftspartnern bilateral ausgetauscht werden müssen sondern ähnlich wie heute mit der Briefpost einmal aufgegeben und dann zugestellt werden.
Hinsichtlich der Einführung von elektronischen Rechnungen konnte ich in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen sammeln. Darüber habe ich ein Buch geschrieben: die elektronische Rechnung in Handels- und Steuerrecht, Gabler-Verlag. Gern erstelle ich ein Angebot über meine Mitwirkung in Ihrem Einführungsprojekt. Einfach nachfragen, eMail reicht.