Elektronische Rechnungsstellung ist hocheffizient und kostengünstig. Sie führt zu einer Bescheunigung der Abrechnungsprozesse beim Rechnungssteller und beim -empfänger. Die Digitalisierung bisher papiergebundener Unternehmensverwaltung erlaubt eine Parallelisierung von bisher nacheinander ausgeführten Einzelschritten. Die Verteilung digitaler Dokumente an die betroffenen, bearbeitenden, freigebenden Stellen kann vertaktet und vergleichzeitigt werden. Bisher einzeln erfolgende Bearbeitungsschritte werden ineinander verzahnt. Digitale Rechnungsdaten können in vor- und nachverarbeitende Systeme wie Rechnungswesen, Zahlungsverkehr, Mahnwesen, Bestellwesen, Rechnungsfreigabe etc. integriert werden.
Die handelsrechtlich und steuerlich verlangte Dokumentensicherheit, ausgedrückt in Identität des Rechnungsstellers und Authentizität des Rechnungsbelegs, wird in Deutschland mit der qualifizierten elektronischen Signatur hergestellt. Es handelt sich dabei um
• eine normierte Infrastruktur mit hoher Sicherheit (Signaturzertifikate von Trust Center, Signaturen nur mit Signaturkarte und sicherer Signaturerstellungseinheit)
• geringe Ausstattungsanforderungen (abhängig von der Menge der zu signierenden und zu verifizierenden Rechnungen, dem Integrationsgrad der Weiterverarbeitung, den Schulungskosten für die Mitarbeiter)
• ein eingeführtes Verfahren (eine verstärkte Nutzung bedarf nur noch der Wissensvermittlung bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen)
Diese Massnahmen steigern die Effizienz der Unternehmensverwaltung und –steuerung. Gleichwohl ist der Betriebsaufwand solcher Lösungen auch für kleine Unternehmen überschaubar. Zertifikat mit SmartCard, sichere Signaturerstellungseinheit und eine einfache Signatur-Software reichen aus.
Der wirtschaftliche Gehalt der elektronischen Rechnung steckt in der „Organisations-Dividende“ aus der Verzahnung der einzelnen Abrechnungsprozesse eim Rechnungssteller und –empfänger. „ibi-research 2009“ der Uni Regensburg kommt auf Kosteneinsparungen von bis zu 50% „all-in“ gegenüber herkömmlichen Abrechnungen.
Gerade jetzt, da die elektronische Rechnung ihren Weg zum Erfolg auch in kleinen und mittelgrossen Unternehmen antritt, gibt es Störsignale aus Brüssel. Ursache ist die geplante Änderung der Mehrwertsteuer-System-Richtlinie 2006/112 EG. Nach dem Willen der EU sollen Rechnungen und elektronische Belege auch ohne technische Dokumentensicherheit (Signaturen) versendet werden können. Statt der Dokumentensicherheit wünscht man nun Prozesssicherheit. Mit dem Argument der Gleichbehandlung von Paperrechnungen zu elektronischen Rechnungen sollen allein die beteiligten Partner mit ihren IT-Systemen und ihrer jeweiligen Prozessorganisation für die Sicherheit der ausgetauschten Dokumente verantwortlich sein. Diese Änderung soll Prozesskosteneinsparungen und Vereinfachungen ermöglichen.
Die Folgen dieser Änderung wären beträchtlich:
• zur Herstellung der Prozsssicherheit gehören ein internes Kontrollsystem und ausgearbeitete, wohldurchdachte Prozesse im Rechnungswesen
• die Unternehmen gehen ein hohes Risiko bei der Herstellung der Prozesssicherheit ein. Sie müssen betriebsinterne Steuerungsregeln, die sie so bisher nicht kannten, einführen, dokumentieren, pflegen und versionieren. Erweiterte Sicherheitsprüfungen in Unternehmen wären die Folge.
Und erst wenn Wirtschaftsprüfer oder steuerliche Betriebsprüfung einige Zeit später diese individuellen Regelwerke anerkennen, gibt es Rechtssicherheit. In der Zeit dazwischen gibt es eine Lücke der Ungewissheit. Die Rechtssicherheit ist auch geringer als bisher, denn ein qualifiziert elektronisch signiertes Dokument ist ein Anscheinsbeweis. Ein prozesssicheres Dokument ist dagegen nur ein Objekt der freien richterlichen Beweiswürdigung.
• Es kommt zu einer Lücke zwischen Umsatzsteuerrecht, das dann irgendwann einmal qualifizierte Signaturen nicht mehr vorschreibt und Aufbewahrungsvorschriften, die sich gerade nicht an der MwStSysRL ausrichten und für die in Deutschland nach wie vor Signaturregeln bestimmend sind.
• Die Finanzverwaltung fürchtet neue Betrugsmöglichkeiten und arbeitet daher schon an neuen Techniken der Betriebsprüfung. Sie könnte die Regeln für den elektronischen Rechnungsversand verschärfen, wenn die Dokumente als Belege anerkannt werden und zum Vorsteuer-Abzug berechtigen sollen.
Es ist allerdings zunächst einmal Entwarnung angesagt. Zum Einen wurde die für den 24. April 2010 terminierte Abstimmung über die Änderung der MwStSysRL soeben –auf unbestimmte Zeit?- verschoben; zum Anderen gelten die bestehenden Signaturregeln mindestens bis zum 31.12.2012, da die geplante Umsetzung in nationales Recht erst zum 01.01.2013 erfolgen soll. Und Drittens wird die qualifizierte elektronische Signatur als anerkanntes Mittel der Dokumentensicherheit erhalten bleiben. Sie gilt weiterhin. Eine Änderung der MwStSysRl würde daran nichts ändern. Die qualifizierte elektronische Signatur darf nur nicht mehr zwingend als Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug vorgeschrieben werden. Sie träte dann gleichberechtigt neben die anderen, prozesssichernden Verfahren, die der EU vorschweben.