Donnerstag, 6. Mai 2010

one-page-information zur Verfahrensdokumentation

Eine Buchführung muss nachvollziehbar sein. So fordert es das Handelsrecht. In der „Papierwelt“ war die Nachvollziehbarkeit und die Prüfbarkeit der Unterlagen recht einfach herzustellen. Die Rechnung ging per Post ein, ging durch verschiedene Stationen, wurde Sichtprüfungen und Freigaben unterzogen, gestempelt, kontiert, gebucht und archiviert. Für das Archiv reichten Aktenplan, Aktenschrank, Aktenordner, Register; und das war die Grundausstattung der Archivierung in allen Unternehmen, egal welcher Grösse.

Der audit trail ging vom Beleg über die Buchung im Hauptbuch (amerikanisches Journal), das mit Hilfe von Nebenbüchern wie Rechnungseingangsbuch, Rechnungsausgangsbuch, Kassenbuch etc. abgestimmt wurde. Aus der Addition der Kontenspalten im Journal wurden Kontensalden gebildet, die in die Hauptabschlussübersicht übertragen wurden. Die Abschlussbuchungen wurden in Papier belegt und danach in der Buchungsspalte der HAÜ gebucht. Aus den zeilenweisen Additionen der Kontensalden und der Abschlussbuchungen ergab sich die Hauptabschlussspalte, die dann zerlegt wurde in Bilanz (Aktiva - Passiva = Kapital) und Gewinn- und Verlustrechnung (Umsatz – Kosten = Ergebnis).
An diese Technik der Buchführung und Abschlusserstellung erinnert sich in den Unternehmen heute kaum noch jemand. Und doch liegt hier der Kern des Verlangens nach Verfahrensdokumentation.

Ein digitales Rechnungswesen ist, damit ein sachverständiger fremder Dritter sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Buchführung sowie die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verschaffen kann, in hohem Masse erklärungsbedürftig. Das Archivprinzip „Aktenschrank“ nämlich funktioniert nicht mehr. Durch die Integration der Prozesse, durch Digitalisierung und Parallelisierung, verbunden mit den Prinzipien „Datensparsamkeit“ und „Singularität“ werden Dokumente digital vorgehalten. Schon 1995 wurden deshalb die Gundsätze ordnungsmässiger DV-gestützter Buchführungssysteme „GoBS“ formuliert. Die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen „GDPdU“ wurden 2002 veröffentlicht. Sie bekräftigten den schon in den GoBS enthaltenen Anspruch auf unveränderte Prüfbarkeit durch progressive und retrograde Prüfungspfade und Belegsichtung. Dieser Anspruch wird auch in der den GoBS nachfolgenden Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung berim Einatz von IT-Systemen „GoBIT“ (Veröffentlichung 2011?) aufrechterhalten. Die GoBIT werden dazu weiterentwickelte Definitionen enthalten und erstmalig das Gerüst einer Verfahrensdokumentation vorstellen. Denn nur eine Verfahrensdokumentation setzt den „sachverständigen Dritten“ überhaupt in die Lage, sich in angemessener Zeit den geforderten Überblick zu verschaffen. Alle drei Grundsätze erwarten eine ausgearbeitete Verfahrensdokumentation.

Eine Verfahrensdokumentation ist vor allem eine handelsrechtliche Anforderung. Die Geschäftsleitung eines Unternehmens schuldet den Unternehmenseignern eine ordnungsgemässe Leitung; dazu gehören Transparenz, Dauerhaftigkeit, Organisation der Unternehmensrechnung, internes Kontrollsystem u.v.m. Eine gepflegte VFD ist nützlich für die Geschäftsleitung, denn sie will anlässlich der Vorlage und Feststellung des Jahresabschlusses entlastet werden. Entlastung gibt es nur für berichtete Geschäftsvorfälle. Da nicht jeder einzelne Geschäftsvorfall berichtet werden kann, muss eine Dokumentation nachweisen, dass die Geschäftsleitung zu jeder Zeit Überblick über die Vermögungs-, Finanz- und Ertragslage haben konnte und danach Entscheidungen traf. Fehlt es daran, wirkt die Entlastung nur teilweise, nämlich insoweit, als sich der Entlastungsbeschluss am von der VFD gestützen Teil des vorgetragenen Jahresberichts ausrichtet. Was nicht darunter fällt, wurde nicht berichet und kann auch nicht entlastet werden.

Eine Verfahrensdokumentation ist auch sehr hilfreich im Falle einer Unternehmensveräusserung/ eines Unternehmenskaufs. Wie sonst soll der Interessent erkennen, mit welchem Organisationsgrad gearbeitet wurde und wie belastbar die ihm vorgelegten Jahresabschlusszahlen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Liquiditätssteuerungen etc. sind? Ist eine VFD vorhanden, verkürzt sich die Zeit des due diligence und die VFD wird sich auch positiv im Kaufpreis auswirken, denn sie beeinflusst den Unternehmenswert positiv, weil die Risikofaktoren des Unternehmens sich mindern.

Die GoBS verlangen als Inhalt der Verfahrensdokumentation
1. eine Anwenderdokumentation
2. eine technische Systemdokumentation
3. eine Betriebsdokumentation
4. ein internes Kontrollsystem im Sinne von einer Sammlung innebetrieblicher Steuerungsmassnahmen

Die GDPdU formulieren präzise Anforderugnen an den Umgang mit elektronischen Rechnungen und referenzieren auf die GoBS.

• Neben den maschinell auswertbaren elektronischen Daten des Rechnungswesens sind nun auch nicht elektronisch auswertbare Dokumente wie Verträge o.ä. zu verwalten.

• Im papiergebunden Rechnungswesen gab und gibt es Konventionen, die sich bei unterschiedlichen Unternehmen nicht voneinander unterscheiden. Die Organsiationsmittel sind dabei in allen Unternehmen gleich.

• in einer digitalisierten Unternehmensorganisation ergibt sich die Organisationsdividende vor allem aus der Parallelisierung von Vorgängen. Diese führt zu einer signifikanten Beschleunigung der Prozesse im Rechnungswesen und darüber zu einer höheren Verarbeitungsqualität der Daten. Die Auswertungen sind belastbarer. Allerdings ist die Organisation auch komplexer. Wer keine Detailkenntnisse über die Unternehmensorganisation hat, wird sich in einem solchen Rechnungswesen nicht in angemessener Zeit zurechtfinden, wenn er nicht eine Wissensvermittlung über das Gesamtsystem -in Form einer Verfahrensdokumentation- erhält.

Zur Nachvollziehbarkeit gehört auch die IT-Sicherheit und die Sicherheit der Archivierung. Die dazu genutzten Verfahren sind in der VFD zu beschreiben, damit die Brauchbarkeit der Verfahren nachgeprüft werden kann. Ohne IT-Sicherheit gibt es keine Revisionssicherheit.

Eine Verfahrensdokumentation ist ein in Wirtschaftsprüfung und steuerlicher Betriebsprüfung vorzulegendes Dokument. Es muss Systemveränderungen mitbeschreiben und ist daher zu versionieren und versioniert aufzubewahren.